Literaturnobelpreis 1956: Juan Ramón Jiménez

Literaturnobelpreis 1956: Juan Ramón Jiménez
Literaturnobelpreis 1956: Juan Ramón Jiménez
 
Der spanische Lyriker erhielt den Literaturnobelpreis »in Würdigung seiner Lyrik, die beispielhaft ist für hohe Geistigkeit und künstlerische Reinheit
 
 
Juan Ramón Jiménez, * Moguer (Andalusien) 24. 12. 1881, ✝San Juan (Puerto Rico) 29. 5. 1958; spanischer Lyriker, wichtige Werke: »Platero y yo« 1914, »Eternidades« 1918, »Animal de fondo« 1949.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Am 25. Oktober 1956 teilte der Sekretär der Schwedischen Akademie dem Dichter Juan Ramón Jiménez mit, ihm werde der Literaturnobelpreis verliehen. Anders Österling, der Ständige Sekretär der Schwedischen Akademie, sagte in einer Radiosendung zur Begründung: »Die Schwedische Akademie empfindet besondere Genugtuung, die spanische Literatur zu ehren, die aus den verschiedensten Gründen bisher in diesem internationalen Wettstreit viel zu wenig gewürdigt werden konnte.. .. Er [Jiménez] vertritt die höchste lyrische Tradition Spaniens, und durch die Verleihung des Nobelpreises an ihn sollen gleichfalls Antonio Machado und Federico García Lorca geehrt werden, die ihm nachgeeifert und ihn als ihren berufenen Meister anerkannt haben.«
 
Wenig später verbreiteten die Nachrichtenagenturen die Neuigkeit in alle Welt. In Jiménez' Heimatland Spanien schlug die Ehrung eines der Söhne des Landes hohe Wellen, auch wenn der Dichter Spanien schon 20 Jahre zuvor den Rücken gekehrt hatte. Damals, zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs, war Jiménez freiwillig ins Exil gegangen und hatte sich in Amerika niedergelassen, zunächst in den Vereinigten Staaten, später in den ehemaligen spanischen Kolonien Kuba und Puerto Rico. Dort starb er im Jahr 1958, ohne sein Heimatland je wieder gesehen zu haben.
 
 Ein Lyriker mit immenser Produktivität
 
Eigentlich hatte der Dichter aus dem andalusischen Dorf Moguer eine andere Karriere geplant, die eines Juristen. Doch sein Jurastudium in Sevilla endete mit dem Studienabbruch, und Jiménez ging zurück in sein Heimatdorf. Im Jahr 1911 zog er in die Hauptstadt Madrid. Zu dieser Zeit waren bereits einige seiner Bücher erschienen. Die beiden ersten Titel, »Ninfeas« und »Almas Violetas«, veröffentlichte er im Jahr 1900. Der Titel »Almas Violetas« beruht auf einem Vorschlag von Rubén Darío, des nicaraguanischen Begründers des Modernismus.
 
Aus heutiger Sicht markieren diese Werke einen eher zögerlichen Beginn schriftstellerischer Arbeit, die jedoch im Lauf der Jahre in eine lyrische Intensität mündete, wie sie ansonsten nur äußerst selten in der spanischen Sprache erreicht wurde. Von nun an kennzeichnete eine immense poetische Produktivität das literarische Schaffen Jiménez'. In Madrid erschienen die Bücher »Rimas« (spanisch; Reime; 1902), »Elejías puras« (spanisch; Reine Elegien; 1908), »La soledad sonora« (spanisch; Die klangvolle Einsamkeit; 1911), »Platero y yo« (spanisch; Platero und ich; 1914), »Diario de un poeta recién casado« (spanisch; Tagebuch eines frischvermählten Dichters; 1917). Danach unter anderen »Eternidades« (spanisch; Ewigkeiten; 1918), »Piedra y cielo« (spanisch; Stein und Himmel; 1919), »Poesía« (spanisch; Poesie; 1923), »Belleza« (spanisch; Schönheit; 1923). In schneller Folge publizierte der Dichter seine Werke und stieß damit auf wachsendes Interesse in der Öffentlichkeit. So wurde er zum Vorbild anderer Schrifsteller, vor allem der Mitglieder der so genannten »Generation 27« wie Rafael Alberti, Luis Cernuda und Federico García Lorca. Außerhalb Spaniens veröffentlichte Jiménez Bücher wie »Poesías escojidas« (spanisch; ausgewählte Poesien; 1917), »Españoles de tres mundos« (spanisch; Spanier aus drei Welten; 1942), »Animal de fondo« (spanisch; Wesen der Tiefe; 1949).
 
Das umfangreiche Werk von Juan Ramón Jiménez, fast vollständig in Versen, zählt zu den wichtigsten in spanischer Sprache. Sein bekanntestes Buch »Platero und ich« (1914) ist allerdings in Prosa geschrieben. Dieses in den spanischsprachigen Ländern weit verbreitete Schul- und Jugendbuch erzählt in 138 Gedichten in Prosa von dem kleinen Esel Platero und dessen Erlebnissen in der andalusischen Landschaft um Moguer. Und auch wenn »Platero und ich« für Jiménez eher untypisch geblieben ist, so wurde es anlässlich der Nobelpreisverleihung doch ausdrücklich erwähnt.
 
 Die Entwicklung der Poesie Jiménez'
 
Als Juan Ramón Jiménez anfing zu schreiben, befand sich die spanische Literatur aufgrund der lateinamerikanischen Modernismusbewegung, die eine poetische Erneuerung durch eine rein ästhetische Kunst anstrebte, im Umbruch. Der Modernismus verbreitete sich zunächst in Amerika in allen spanischsprachigen Ländern und hatte auch auf der Iberischen Halbinsel großen Einfluss zum Beispiel auf Schriftsteller wie Antonio Machado, Manuel Machado, Ramón del Valle Inclán und nicht zuletzt Juan Ramón Jiménez. In den ersten Gedichten Jiménez' überwiegen eine melancholische Stimmung sowie Sanftheit und Innigkeit. Für die Abwendung von dieser Orientierung am rein Ästhetischen war auch ein privates Ereignis bestimmend: die Heirat mit der Schriftstellerin und Übersetzerin Zenobia Cambrubí 1916 in New York. Fortan hat er mit ihr eine kritische und konstruktive literarische Beraterin zur Seite, die ihn auch beim Wandel seines Stils unterstützt. Nun strebt er an, jede äußerliche Verschönerung des Verses zu meiden und mit dieser Schlichtheit eine »reine Poesie« zu erreichen. Die Gedichte nehmen immer konzisere Form an, werden einfacher, durchsichtiger. Mit knappem und präzisem Ausdruck sucht er dann nach dem »genauen Namen der Dinge«.
 
Jiménez gilt in Spanien als jener Dichter, der mit einem Minimum an Wortaufwand ein Maximum an Wirkung erzielt hat, und wird als der Vater der »poésie pure« (reine Poesie) betrachtet.
 
Jiménez dritte Schaffensperiode ist durch das Thema des Göttlichen charakterisiert. Seine wichtigste Arbeit aus dieser Zeit ist sein großes Spätwerk »Wesen der Tiefe«.
 
Als die Schwedische Akademie 1956 die Preisvergabe an Jiménez bekannt gab, lag seine Frau Zenobia im Sterben. Bei der Verleihungszeremonie, an der Jiménez wegen ihres Todes nicht teilnahm, ließ er den Rektor der Universität Puerto Rico folgende Worte verlesen:
 
»Meine Frau Zenobia ist die eigentliche Gewinnerin dieses Preises. Ihre Begleitung, ihre Hilfe, ihre Inspiration machte 40 Jahre lang meine Arbeit möglich. Heute, ohne sie, bin ich untröstlich und hilflos«.
 
Weit zurück lagen die Zeiten, in denen der Poet in seinem Haus junge Schrifsteller empfing, um mit ihnen endlose Diskussionen zu führen. Diese Besuche waren so häufig, dass, wie Rafael Alberti erzählt, manchmal vom Balkon die Stimme eben des Juan Ramón Jiménez zu hören war: »Juan Ramón Jiménez ist nicht zu Hause!«
 
N. Martos-Pilgrim

Universal-Lexikon. 2012.

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